Wie finde ich die für mich geeignete Therapieform?
Viele Menschen mit psychischem Leid wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Sie versuchen vielleicht, sich selbst zu behandeln, fühlen sich durch ärztliche Versorgung nur teilweise versorgt und werden häufig nicht ausreichend über mögliche psychotherapeutische Maßnahmen aufgeklärt.
Während meiner klinischen Arbeit mit Patientengruppen habe ich regelmäßig die Frage gestellt: „Wer von Ihnen kennt den Unterschied zwischen einem Psychiater und einem Psychologischen Psychotherapeuten?“ Leider musste ich in den meisten Fällen feststellen, dass die Differenzierung sehr schwer fiel.
Für die Leser von „Hear your Mind“ gibt es jetzt eine Aufstellung der gängigen Therapieformen, die neben einer medikamentösen Versorgung durch den Hausarzt oder Psychiater hilfreich bei psychischen Problemen sein können. Je nach persönlicher Situation und Therapieziel kann man entscheiden, welche Therapieart einem am besten gefällt, bevor man gezielt nach einem Therapeuten sucht:
1) Psychodynamische Therapieverfahren
Beispiele aus dieser Gruppe der Therapien sind die Psychoanalyse oder die Tiefenpsychologische Therapie. Der Fokus ist in den Gesprächen mit dem Therapeuten, die ein bis mehrmals pro Woche stattfinden können, darauf gerichtet, die Ursachen des Leidensdrucks oder eines bestimmten Verhaltens zu ergründen und zu klären. Man geht davon aus, dass das Leid dadurch entsteht, dass Konflikte auf unbewusster Ebene bestehen und versucht diese in der Therapie bewusst zu machen.
2) Verhaltenstherapie
In diesem Ansatz werden Therapie-Übungen und Techniken verwendet, die speziell für bestimmte Symptome wie z.B. anhaltende Traurigkeit, Angst oder Schlafprobleme entwickelt wurden. Der Therapeut arbeitet außerhalb der Therapiesitzung mit „Hausarbeiten“ und weckt darüber die Selbstheilungskräfte seines Klienten. Häufig geht dem Therapiebeginn eine medizinische Diagnose voraus. Man vermutet, dass die Änderungen eines Verhaltens für die Verbesserung der psychischen Verfassung ausschlaggebend ist.
3) Humanistische Therapieverfahren
Bei dieser Art von Verfahren geht man davon aus, dass sich der Mensch wahlfrei und verantwortlich entwickelt. Während der individuellen Entwicklung kann man mit Problemen konfrontiert werden, die den Entwicklungsprozess blockieren. Daraus entsteht das psychische Leid. In der Therapie gibt es die Möglichkeit, über körperbezogene Verfahren, Spiele, kreative Techniken oder Gespräche Blockaden zu lösen und dadurch in der individuellen Persönlichkeitsentwicklung weiter voranzuschreiten.
4) Die systemische Therapie/Paar- und Familientherapie
Das Individuum ist nicht völlig abhängig von seinem Umfeld, sondern befindet sich in einer Art System. Wenn der Klient sich psychisch stark belastet oder krank fühlt, ist nicht unbedingt bei dieser Person die Ursache der Problematik zu suchen sondern in dem System, zum Beispiel dem Familiensystem, welches den Klienten umgibt. Mehrere Personen und Therapeuten können in den therapeutischen Prozess einbezogen sein. Es gibt Gruppensitzungen, Hausaufgaben für die Gruppe, es geht viel um den Ausdruck von Gefühlen und um Lösungen von Blockaden zwischen den Teil nehmenden Klienten.
Mehr und mehr werden in den hier vorgestellten Therapieansätzen digitale Medien eingesetzt, um Klienten und Therapeuten bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Dabei können Apps, digitale therapeutische Interventionen, Videokonferenzen und psychoedukative Elemente zum Einsatz kommen. Aber Vorsicht bei der Idee, sich selbst über den Computer zu therapieren: Studien zufolge brauchen wir weiterhin zwischenmenschlichen Kontakt, um Motivation und das Gefühl von Geborgenheit bei der psychologischen „Arbeit“ zu erhalten.
Hier noch einmal alles auf englisch http://hearyourmind.org/2017/05/choose-therapy-thats-right-vanessa-lee/
Vielen vielen Dank an das Team aus Los Angeles für die diese wundervolle Möglichkeit!
6. Juni 2017 | Vanessa Murri
Vanessa Murri
Vanessa Murri ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Seit 2006 lebte und arbeitete sie in unterschiedlichen Ländern wie Frankreich, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Neben ihrer Tätigkeit als klinische Psychologin beim internationalen Therapeutennetzwerk Stillpoint Spaces in Berlin hat sie unterschiedliche Projekte konzipiert und realisiert, unter anderem die vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Film-Recherche Reihe Station B 3.1 (2015). Ihr 2016 verfasstes Märchen “Mana, Tapu & Tokelau” hat die Handlung zum Tanzfilm „Trieb“ inspiriert.